Rein Gold • Ein Bühnenessay by Elfriede Jelinek

Rein Gold • Ein Bühnenessay by Elfriede Jelinek

Autor:Elfriede Jelinek [Jelinek, Elfriede]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644027411
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-06-10T00:00:00+00:00


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B: Soll ich wirklich weg von hier? Soll ich scheiden, nicht mehr mit dir schlafen, ich meine, nicht mehr mit dir schaffen und walten, Vater? Irgendwem gehorchen, den ich nicht kenne? Mich auf irgend jemand schmeißen, und wär jeder ein Held und es wäre deshalb egal? Du unterstellst mir das immer, und du hast mich, weil du glaubst, ich wäre da scharf drauf, diesem Schicksal unterstellt. Mich jemand aufdrängen, der mich nicht will? Denn der Held will ja immer was andres als das, was er grade hat. Er will das ewig schaffende Leben, aber er stirbt trotzdem. Er will, daß dort, wo er nicht ist, der Tod sei, aber er stirbt dann doch lieber selbst. Der Held will immer alles alleine machen, er will, daß nichts, was besteht, untergeht, und wenn er selbst dafür sorgen muß. Er will, daß alles untergeht, und dafür sorgt er auch. Er will, er will, er will. Der Held geht unter. Er geht mit allem unter, was es gibt. Der Held jagt, er jagt ausdauernd und zielstrebig, doch am Ende ist er es, der gejagt worden ist. Der Held will zerstören die Herrschaft des einen über die anderen, die Gewalt der Mächtigen, damit nur er selber mächtig ist. Aber er wird untergehn. Er wird dabei sterben. Diesem Helden wird seine Macht egal sein, er wird sie nicht einmal kennen, deshalb wird er sterben müssen, als Beleidigung für die andren Mächtigen mit ihrer gepumpten, mit ihrer aufgepumpten Macht, sterben, obwohl ihn der Schrecken dieses Gedankens fast zu Boden wirft, wo er sowieso landen wird. Er wird versuchen, die Macht des Eigentums und die Gewalt der Mächtigen zu brechen. Aber er wird bloß selber gebrochen werden, weil er ja, wissenslos, nicht gewissenlos, dazugehört. Er wird den Schatz bergen wollen, als einziger, aber den haben sie ins Wasser geschmissen, weil sich davor schon Generationen von Helden wegen des Schatzes gegenseitig erschlagen haben, Hundertschaften erschlagen, Tausende ertränkt. Nur wegen des Geldes. Nur wegen dem Geld? Nur wegen dem Geld! Da haben sie den Schatz ins Wasser geworfen, damit ihn keiner mehr kriegt. Eine vernünftige Einstellung. Jahrhundertelang Krieg um das Gold, aber damit ist jetzt Schluß. Das Gold ist im Fluß, alles ist in Fluß, der Fluß gibt nichts her, da muß der Held ran, aber zum Glück nicht rein, damit es überhaupt noch etwas gibt. Der Held ist der Mörder-Stellvertreter, der Führer-Stellvertreter, der Stellvertreter eines Stellvertreters, bis hin nach oben, zum Gott, der die Stellvertreter ernennt und dann umbringt, weil er immer allein übrigbleiben muß. Es ist nur Platz für einen. Der Held, ein Stellvertreter Gottes, ein Engel, und der Vater muß ihm feindlich gesonnen sein. Aber eigentlich müßte dem der Held doch das Liebste sein. Danke, daß du ihn mir überläßt, Vater. Aber einen Helden behalten, das kann keiner auf Dauer. Früher haben alle einander gegenseitig für das Gold umgebracht. Jetzt wird nur noch der Held umgebracht. Der Held steht für alles, was man nicht selber ist, was aber weg muß. Er ist einer zuviel. Was man nicht selber erreichen kann, was es aber gar nicht geben darf, das muß weg.



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